Rundfunk: Über den Äther gesendet

Rundfunk: Über den Äther gesendet
Rundfunk: Über den Äther gesendet
 
Kaum konnte man um die Wende zum 20. Jahrhundert Funktelegramme austauschen, so wollte man auch drahtlos telefonieren. Die Verfahren der Funktelegrafie waren hierfür jedoch ungeeignet. Statt einzelner, »gedämpfter« Wellenzüge mussten kontinuierliche, »ungedämpfte« Wellen die in elekrische Signale umgesetzten Schallschwingungen transportieren. Die Voraussetzungen hierfür wurden im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts erfüllt. Mit dem Lichtbogensender von Valdemar Poulsen oder der Hochfrequenzmaschine von Reginald Aubrey Fessenden und Ernst Frederic Alexanderson konnten ungedämpfte Wellen mit Leistungen bis weit in den Kilowattbereich erzeugt werden.
 
 Der Hörfunk auf dem Weg zum Massenmedium
 
Zur technischen Verwirklichung des Rundfunks trug die nach 1910 eingeführte Elektronenröhre entscheidend bei, ließen sich mit ihr doch nicht nur schwache elektrische Signale verstärken, sondern auch Telefoniesender konstruieren. Alexander Meißner, der maßgebliche Erfinder des Röhrensenders, und Hans Bredow, später als »deutscher Vater des Rundfunks« bekannt, strahlten 1917 zur Freude der Funker an der Westfront Schallplattenmusik aus.
 
Nach Kriegsende gewann die Idee des Rundfunks rasch an Boden. Als Geburtstag des Hörfunks gilt der 2. November 1920, als ein in Pittsburgh, Pennsylvania, aufgestellter Sender Wahlresultate übertrug. 1921 gab es in den USA sieben Rundfunksender, und auch Kanada nahm den Programmbetrieb auf. 1922 arbeiteten Radiostationen in Großbritannien, Frankreich, der Sowjetunion, Spanien, der Tschechoslowakei und anderen Ländern. In Deutschland hatte im November 1919 ein Experimentalvortrag Bredows in Berlin die Möglichkeiten des Rundfunks demonstriert und seine Einrichtung stimuliert. Bredow, ausgewiesener Fachmann und Staatssekretär im Reichspostministerium, besaß die Befugnisse und das Stehvermögen, den Hörfunk trotz politischer Querelen und bürokratischer Hürden in Deutschland durchzusetzen. Technischer Schwerpunkt war zunächst die posteigene Hauptfunkstelle Königs Wusterhausen. Man sendete täglich über Lichtbogen- oder Maschinensender eine halbe Stunde Musik und wagte sich an Liveübertragungen von Instrumentalmusik. Im Juni 1921 verband man die Berliner Staatsoper über Fernsprechleitungen mit dem Sender und übertrug »Madame Butterfly«. 1922 strahlte auch die Versuchsstation Eberswalde Konzerte aus.
 
Am 20. Oktober 1923 nahm der erste deutsche Rundfunksender im Berliner »Voxhaus« den Betrieb auf - die Begeisterung der kaum 500 Hörer war ungeheuer. Weitere deutsche Sender folgten, Anfang 1925 waren es schon 15. Empfänger waren anfänglich vor allem röhrenlose Detektorgeräte, sie benötigten keine Stromversorgung und boten Kopfhörerempfang des nächsten Senders. Bald waren Hunderttausende Detektorempfänger, häufig als Eigenbau entstanden, in Betrieb. Doch die Hörer wollten unter mehreren Stationen wählen und unabhängig von Kopfhörerleitungen werden. Elektronenröhren konnten diese Wünsche erfüllen, verteuerten aber das Rundfunkhören. Weite Verbreitung erlangte das im Ersten Weltkrieg erfundene Rückkopplungsaudion, ein Grundbaustein leistungsfähiger Empfänger. In Millionen einfachen Geräten, zum Beispiel in den deutschen »Volksempfängern«, behauptete es sich bis zum Zweiten Weltkrieg.
 
Nach 1925 wurde Radiohören zur Alltäglichkeit, im Januar 1926 gab es bereits 1 Million Hörer in Deutschland. Die Empfänger wurden leichter bedienbar, Röhren und Spulen verschwanden im Gehäuse, eine Stationsskala löste mehrere Zahlenscheiben ab, die Lautsprecherwiedergabe wurde selbstverständlich. Nach 1925 ging man zur Stromversorgung aus der Steckdose über. Das vereinfachte den Betrieb und senkte die Betriebskosten entscheidend. Der Überlagerungsempfänger (»Superhet«), Rückkopplungsempfängern überlegen, setzte sich durch. Schwundregelung, Maßnahmen zur Klangverbesserung, Abstimmhilfen, Anschlüsse für Plattenspieler und zusätzliche Lautsprecher trugen zur Benutzerfreundlichkeit bei. An die 10 Millionen Rundfunkteilnehmer gab es 1939 allein in Deutschland. In nicht einmal zwei Jahrzehnten war der Rundfunk ein Massenmedium geworden, das der Information, Bildung und Unterhaltung diente, aber auch als Propagandainstrument gebraucht und missbraucht wurde.
 
 Das elektronische Fernsehen beginnt
 
Vorschläge zum Fernsehen stammen aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Alle Versuche, es elektromechanisch zu bewerkstelligen, scheiterten. Nur die Spirallochscheibe Paul Nipkows und ihre Varianten wurden anfangs beim Fernsehen eingesetzt. Experimente mit elektronischen Mitteln, von denen die Katodenstrahlröhre Karl Ferdinand Brauns als Bildröhre noch heute unverzichtbar ist, blieben zunächst folgenlos. Nach 1918 griff man elektromechanische Verfahren wieder auf, nun jedoch mit elektronischer Signalverarbeitung. Neben anderen erzielten der Schotte John Logie Baird und der deutsche Physiker August Karolus Erfolge. Doch niemand mochte sich mit briefmarkengroßen Bildern und groben Konturen abfinden. Nach langem Mühen musste man sich eingestehen: Nur mit elektronischen Verfahren sowohl auf der Empfänger- als auch auf der Senderseite ist Fernsehen aussichtsreich. Unter den Pionieren des elektronischen Fernsehens ragt Manfred von Ardenne heraus. Er verbesserte die Katodenstrahlröhre, entwickelte die notwendigen Breitbandverstärker und führte auf der Berliner Funkausstellung im Herbst 1931 das elektronische Fernsehen öffentlich vor. Die Demonstrationen fanden weltweit Beachtung, in einigen Lädern wurden in der Folge Versuchsprogramme ausgestrahlt.
 
Eine Fülle technischer Probleme war noch zu meistern. Für höhere Bildqualität wurde die Bildzeilenzahl schrittweise gesteigert, das Zeilensprungverfahren verminderte das Bildflimmern. Die Erschließung des Ultrakurzwellenbereichs wurde intensiviert, weil er allein Platz für Fernsehkanäle bot. Auch die Frage der Begleittonübertragung wurde gelöst. Der von Ardenne und anderen benutzte Leuchtfleckabtaster verarbeitete nur Diapositive oder Filme. Oft behalf man sich mit Umwegen: So wurde beim Zwischenfilmverfahren die Szene gefilmt, der Film im Übertragungswagen nach einem Schnellverfahren entwickelt und - mit knapp zweiminütiger Verspätung - abgetastet und gesendet.
 
Mit dem von Wladimir Kosma Zworykin ab 1923 entwickelten Ikonoskop begann nach 1931 die Zeit der elektronischen Fernsehkamera. Bei der Berliner Olympiade 1936 bestand sie eine erste große Bewährungsprobe. Das Ergebnis, verbreitet vom seit 1935 arbeitenden Bild-Ton-Sender auf dem Berliner Funkturm, konnte man in öffentlichen Fernsehstuben und mit den noch wenigen Heimempfängern verfolgen. Das Massenmedium Fernsehen war bereit, doch der Zweite Weltkrieg verhinderte den Start.
 
 Bunt und in Stereo
 
Nach 1945 machten Hörfunk und Fernsehen rasche Fortschritte. Die überfüllten Hörfunk-Frequenzbereiche wurden erweitert. 1948/49 gingen in Mitteleuropa erste UKW-Rundfunksender in Betrieb, deren Übertragungsqualität und Störfreiheit überzeugten. Einen weiteren Qualitätssprung brachte die UKW-Stereofonie, ab 1961 in den USA, ab 1963 in Europa eingeführt.
 
1948 hatte man den ersten Empfänger mit Transistoren vorgestellt. Sie führten bei deutlicher Energieersparnis zu Raum sparenden Gehäusen mit abgesetzten Lautsprechern. Portable Kleingeräte erlangten weltweite Verbreitung - nicht zuletzt in Regionen ohne Stromversorgung. Erhöhter Bedienkomfort drückte sich in Sendersuchlauf, Stationsspeicherung, Fernbedienung und vielem anderen aus. Beim Fernsehen stiegen Zeilenzahlen und Bildschirmgröße. Für weitere Übertragungskanäle wurde der Dezimeterwellenbereich erschlossen. Jahrzehntealte Farbfernsehprojekte konnten aufgegriffen und verwirklicht werden. Von mehreren untersuchten Verfahren setzten sich in Europa das »PAL-System« von Walter Bruch und das »SECAM-System« von Henri de France durch. Ab Mitte der 60er-Jahre wurden Fernsehprogramme in Farbe ausgestrahlt. Etwa zur gleichen Zeit begann man, Programme über Satelliten zu verbreiten. Weltweites Fernsehen wurde Wirklichkeit.
 
Walter Conrad

Universal-Lexikon. 2012.

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